Digitalisierung an Schulen braucht eine agile Verwaltung

Tanja Hoch leitet das Sachgebiet „Digitalisierung und MINT-Förderung“ und die Schul-IT des Landkreis Alzey-Worms und erläutert im Interview wie Kommunen die Digitalisierung schulischer Bildung vorantreiben und Administrationsstrukturen aufbauen.

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Tanja Hoch

1) Seit wann sind Sie in dem Bereich „Schul-IT“ tätig und wie ist Ihre Abteilung aufgebaut?

Gestartet bin ich 2016 als Sachbearbeiterin in der Kreisverwaltung. Auf meinem Tisch landeten oft Anfragen von Schulen, die sich um deren Digitalisierung drehten. Ich stellte fest, dass es hier eine gravierende Lücke gab. Es fehlten Antworten und es fehlten Mittel. Ich fing an, mich in das Thema einzuarbeiten. Die SCHUL-IT ist dann kurzfristig innerhalb der Kreisverwaltung wie ein Start-up in die Höhe geschossen. Mein Job war anfangs im Kern das Projektmanagement, die Vermittlung zwischen IT und Schulen. Meine Mitarbeitenden ergänzten mit ihrem Fachwissen und so wurden wir ein starkes agiles Team, das die Komplexität der Aufgaben rund um die Digitalisierung von Schulen in Angriff nehmen konnte. Heute bin ich Digitalisierungsbeauftragte des Kreises und leite das Referat Organisation und Digitalisierungsmanagement, was die Fachbereiche IT-Service- und Wissensmanagement für die Kreisverwaltung und für Schulen beinhaltet. Das Referat umfasst 35 Mitarbeitende, davon im IT-Bereich 12 Systemadministratoren für Kreis und Schulen und 5 Auszubildende.

Dem Kreis Alzey-Worms (Rheinland-Pfalz) gehören die Stadt Alzey und 6 weitere Gemeinden an. Insgesamt wohnen hier ca. 131.000 Einwohner. Als Schulträger betreut die Kreisverwaltung 12 Schulen. Das MINT-Regionalpatenprogramm wird vom Kreismedienzentrum Alzey-Worms betreut.
 
Ansprechpartnerin: Tanja Hoch, hoch.tanja@alzey-worms.de
 
https://www.kreis-alzey-worms.eu

2) Das hört sich vor allem in den letzten Jahren nach einer intensiven Zeit auf Seiten des Schulträgers an. Was passierte denn auf Seiten der Schule?

Noch vor dem DigitalPakt Schule beantragte die Wörrstädter Rheingrafenschule eine Tablet-Klasse. Damit kam der Ball ins Rollen und wir stießen auf die ersten Herausforderungen, zum Beispiel hatten nicht alle Gebäude genügend Steckdosen für den WLAN-Ausbau. Wir entwickelten IT-Standards. Danach fingen an, digitale Klassen-zimmer einzurichten und eine entsprechende Infrastruktur an den Schulen aufzubauen. Im Schuljahr 2018/19 konnten wir eine Realschule und ein Gymnasium mit drei Tablet-Klassen ausstatten. Mittlerweile sind 3.500 mobile Endgeräte an unseren Schulen im Einsatz.
Eigentlich wollten wir an einer Pilotschule eine Lernplattform erproben. Dann kamen die Pandemie und mit ihr der Heimunterricht. Im Eiltempo mussten alle Schulen sofort digitalisiert werden. Die Schulen verfügen jetzt über ein einheitliches pädagogisches Schulnetzwerk, welches mit digitalen Werkzeugen die Organisation und Kommunikation unterstützt. Die Heimunterrichtsphasen ermöglichten es uns, viele Bauarbeiten in den Schulen vorzuziehen, so dass die Kinder in Klassenräume mit neuen Beamerlösungen oder interaktiven Tafelsystemen zurückkamen. Nur noch zwei Schulen stehen auf der To-Do-Liste, dann sind die Maßnahmen rund um den Digitalpakt Schule in unserem Landkreis abgeschlossen. Viele der Schulen in unserer Trägerschaft haben zwischenzeitlich Preise für Wettbewerbe mit dem Fokus auf die Digitalisierung bzw. digitalen Unterricht erhalten, u. a. wurde das Gymnasium am Römerkastell im Jahr 2022 mit ihrem Konzept „Ideenflügel“ als „Schule der Zukunft“ von der Landesregierung Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.

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KV Alzey-Worms

3) Und welchen Einfluss hatte die Digitalisierung von Schulen auf die Arbeit des Schulträgers?

Als Schulträger muss man sich bei der Digitalisierung von Schulen richtig ins Detail reindenken. Im Prozess stellen sich die unterschiedlichsten Fragen. Zum Beispiel: „Wie statte ich eine denkmalgeschützte Schule mit einer digitalen Infrastruktur aus?“ Mittlerweile kann ich das digitale Klassenzimmer tanzen. Das war allerdings ein weiter und anstrengender Weg. Auf diesem haben wir und nicht nur die Schulen angeschaut, sondern auch verwaltungsintern begonnen, unsere Prozesse zu durchleuchten. Eine digitale Schule braucht auch eine agile Verwaltung, die projekt- und kundenorientiert arbeitet. Bei Problemen mit schulischer Lerninfrastruktur müssen wir schließlich schnell reagieren. Mit der Fragestellung „Wie stellen wir uns als Schul-IT auf?“ haben meine Mitarbeitenden in Design-Thinking Workshops unser agiles Selbstverständnis als Schul-IT entwickelt und entsprechende Prozesse aufgebaut. Gerade der Design-Thinking-Prozess hat uns sehr geholfen, die Anwenderperspektive zu übernehmen und gezielte Lösungen zu finden. Wir haben eine Teamphilosophie eingeführt, in der starke Nutzerorientierung, kurze Reaktionszeiten und kollaboratives Projektmanagement ganz weit oben stehen. Unsere Werte, nach denen wir handeln, hängen auf Plakaten in unseren Bürofluren.

4) Wo haben Sie sich im Prozess Unterstützung gesucht und wen haben Sie einbezogen?

Vom Land Rheinland-Pfalz wurde schon früh eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe auf Landesebene ins Leben gerufen, die sich mit dem Thema Medienentwicklung befasste. Das Pädagogische Lerninstitut hat unsere Vorgehens-weise hinsichtlich der Tabletklassen von Anfang unterstützend begleitet. Diese Netzwerke und auch die Rahmenvereinbarungen, die das Land mit Technikanbietern abgeschlossen hat, haben uns weitergeholfen. Bei uns hat es sich auch bewährt, die Eltern frühzeitig einzubinden. Wir haben als Schulträger Elternabende ins Leben gerufen und vor Ort unser Vorgehen erklärt. Die Resonanz war sehr groß. Ein weiterer bedeutender Erfolgsfaktor war die Unterstützung seitens der HOPP-Foundation in Weinheim, durch die wir ergänzend zu unserem Kreismedienzentrumsangebot zielgerichtete Lehrerfortbildungen ermöglichen konnten, was ja grundlegend nicht Aufgabe des Schulträgers ist. Dort wurde uns auch die Methode des Design Thinking näher gebracht.

5) Wenn Sie selbst diesen Prozess noch einmal beginnen würden, welche Empfehlung würden Sie sich selbst mit auf den Weg geben?

Wenn ich heute noch einmal von vorne beginnen würde, würde ich mich viel früher auf die Einbindung agiler Methoden konzentrieren. Ich glaube, dass dies der Schlüssel für den Erfolg unseres Teams war. Die agilen Methoden fördern eine gemeinsame Arbeitsweise, und stärken das Werteverständnis. Das gewonnene Mindset ermöglicht ein schnelles Reagieren des Teams, steigert die Produktivität und fördert ein gutes Miteinander.

Herzlichen Dank für das Gespräch. Das Interview wurde geführt von Daniela Bickler.